Beim Blick auf die Paarungen des 20. Spieltags vor Beginn der Spiele gab es eigentlich nur einen Gedanken: Das sind ja alles klare Angelegenheiten. Vor allem für die Mannschaften der oberen Tabellenregion warteten allesamt Aufgaben, die auf dem Papier eher Marke Lutscherklau auf dem Kinderspielplatz als wirklicher Herausforderung entsprachen. Drei Tage und neun Spiele später weiß man, dass man mit dieser Einschätzung in etwa so weit daneben lag wie die Meinungsforscher im letzten Jahr mit der Prognose zum Brexit-Votum. Aber der Reihe nach.
Den Auftakt zu diesem verrückten Spieltag bestritten der FSV Mainz 05 und der FC Augsburg. Während die Mainzer seit der Winterpause auf einen Dreier warteten, hatten die Puppenspieler aus Bayern zuletzt mit zwei Siegen in Folge eine durchaus gute Form anzubieten. Klingt nach Vorteil für die Gäste? Denkste! Denn die Pfälzer-Jecken hatten sich was vorgenommen und nahmen von Beginn an das Zepter in die Hand. In einem ansonsten umkämpften und ereignisarmen Spiel reichten Mainz zwei helle Momente, um die Entscheidung herbeizuführen. In der 31. Minute verloren die Gäste am gegnerischen Strafraum den Ball und die Mainzer Konterspieler flitzten schneller Richtung Tor als ein Magen-Darm-Virus-Kranker zur Toilette. Am Ende dieses pfeilschnellen und sauber gespielten Konters vollstreckte Öztunali per Kopf zum 1:0. In der 62. Minute wiederum überrumpelte ein Einwurf (!!!) die gesamte Augsburger Hintermannschaft, sodass Cordoba im Strafraum frontal auf Keeper Hitz traf und rustikal gestoppt wurde, was letztlich mit Elfmeter und dem 2:0 Endstand durch Jairo bestraft wurde. Zwar keine faustdicke Überraschung, aber zumindest auch kein selbstverständliches Ergebnis.
Was dann aber am Samstagnachmittag in der Liga los war, spottet jeder Beschreibung. Fünf Spiele, fünf mehr oder weniger klare Favoriten und vier Mal lag man voll daneben. Beginnen wir im hohen Norden mit der Begegnung Bremen gegen Gladbach. Die Werderaner mit zuletzt ansprechenden Leistungen, aber ohne Punkte, gegen sich aufraffende Fohlen, die aber in der nahen Vergangenheit auswärts in etwa so gefährlich waren wie Styropor-Füllmaterial. Aber die Gladbacher scherten sich nicht darum und gingen durch Hazard in Führung, nachdem dieser nach Pass von Kramer einsamer Richtung Tor spazierte als ein Single an Valentinstag. Die Gastgeber versuchten sich in der Folge nach Kräften zu wehren, allerdings fehlten ihnen die Mittel wie einem Studenten am Monatsende. So blieb es beim knappen Sieg der Borussia, während die düsteren Wolken in Bremen langsam wieder dichter werden.
Noch um einiges dunkler sind die Wolken in Darmstadt, wo nach 19 Spieltagen jämmerliche 9 Punkte auf der Habenseite stehen. Selbst bei Tasmania Berlin keimte so noch leise Hoffnung, dass der Titel für die schlechteste Saison der Bundesligageschichte vielleicht doch noch weitergereicht werden kann. Als nun auch noch Borussia Dortmund im Jonathan-Heimes-Stadion erwartet wurde, schien im Vorfeld klar, dass diese Hoffnung weiter genährt werden würde. Aber die Lilien blüten trotz winterlicher Temperaturen auf, wie man es selten zuvor gesehen hatte. Vom Anpfiff an fackelte die Thekenmannschaft unter den Bundesligisten ein Offensivfeuerwerk ab, dass den Dortmundern Hören und Sehen verging. Schließlich war es Boyd, der eher an einen Türsteher vor einem Nobelclub in Frankfurt als an einen Fußballprofi erinnert, welcher seine Farben nach Pass von Heller gegen acht Dortmunder im Strafraum in Führung brachte. Guerreiro gelang zwar für die Borussen kurz vor der Pause noch der Ausgleich, aber auch in der zweiten Hälfte spielten einzig und allein die Mannen von Thorsten Frings nach vorne. Höhepunkt dieser Laune der Natur war dann der Angriff zum Sieg: Hamit Altintop, aus den tiefen der Türkei nach Darmstadt gespült, lupfte den Ball zu Sidney Sam, der ohne hinzusehen den eingewechselten Colak bediente, welcher durch die Hosenträger vom sonst starken Bürki zum 2:1 verwandelte. Es wirkte fast so, als hätten die Darmstädter die fußballerischen Kräfte der Dortmunder geraubt und sich zu Eigen gemacht, denn bis zum Abschluss schafften es die Gäste nicht, das Tor der Lilien in ernste Bedrängnis zu bringen. Viel mehr hätte das Ergebnis noch deutlich höher ausfallen können. Letztlich blieb es aber beim hochverdienten Sieg für Darmstadt und Rookie-Coach Thorsten Frings, der sich sichtlich freute.
Ähnlich erging es auch Roger Schmidt im fiesen Schneeregen von Leverkusen. Laut Bildzeitung und Sky bereits vor dem Spiel entlassen, legte sein zuletzt enttäuschendes Team gegen ungewohnt unkonzentrierte Frankfurter ein starkes Spiel hin und siegte verdient mit 3:0. Symbolisch für die Bayer-Offensive war an diesem Tag die Entstehung des 1:0: Teenie Kai Havertz schnappte sich vor dem Frankfurter Strafraum den Ball, schaute auf und marschierte dann so locker geradeaus durch vier Verteidiger wie ein warmes Messer durch die Butter. Von seinem Fuß sprang der Ball dann in hohem Bogen zu Chicharito, der anspruchsvoll per Direktabnahme vollstreckte. Die Frankfurter hielten danach zwar gut dagegen, konnten aber in der 63. Minute gegen den Leverkusener Offensivwirbel nichts ausrichten. Brandt ging auf dem linken Flügel in einen leidenschaftlichen Tanz mit seinem Gegenspieler, übergab das Spielgerät anschließend an Kampl, der mit einem schönen Flankenwechsel dann Bellarabi fand. Dieser leitete den Ball Volley weiter in die Mitte wo erneut Chicharito, ebenfalls Volley, sehenswert zum 2:0 einnetzte. Ein Hauch von Fußballtennis in einem Ligaspiel – ganz schön frech diese Werkself. Den Schlusspunkt setzte dann der bisher glücklose Volland, der den Anschein erweckte, dass er sich mit Mario Götze zum Frustfressen in der Winterpause getroffen hatte oder einfach allein etwas Rücklagen für nen harten Winter gebildet hat.
Die Mannen aus dem großen Kölner Vorort sicherten so, mal wieder, überraschend dem eigenen Coach den Job, während Niko Kovac sich fragen wird, wer seiner Mannschaft diesen gebrauchten Tag angedreht hat. Inbesondere in der Nähe des Frankfurter Bahnhofs kommen da wohl einige zwielichtige Gestalten in Frage.
Wenn nun sogar Leverkusen gewinnt, worauf kann man sich denn überhaupt noch verlassen? So hässlich sie derzeit auch sein mag, eine Konstante gibt es in der Bundesliga immer noch: den FC Bayern München. Geschlagene 90 Minuten brauchten die Münchener allerdings, um beim FC Ingolstadt etwas zählbares hinzukriegen. Dann tauchte urplötzlich Mentalitäts-Monster Vidal nach Flanke von Thomas Müller fünf Meter vor dem Gehäuse der Schanzer auf und hatte dann wenig Mühe, das späte 1:0 zu markieren. Robben stellte dann nur eine Minute später noch auf 2:0, sodass es letztlich nach einem lockeren Sieg der Bayern aussah. In Wirklichkeit war das Spiel aber so eng wie Leggins bei den Kandidaten von The Biggest Loser.
Unter diesem Titel lief bisher eigentlich auch mal wieder die Saison des Hamburger SV, wobei es jetzt den Anschein hat, als würden die Rothosen womöglich doch noch die Kurve kriegen. Nach dem glücklichen 1:0 gegen Leverkusen und dem 2:0 im Pokal gegen den 1. FC Köln folgte nun ein überzeugendes 3:0 bei den bis dato zuhause ungeschlagenen Leipzigern von Rasenballsport.
Wie das passieren konnte? Die Leipziger verloren, womöglich auch aufgrund der Choreo der eigenen Fans, ihren eigenen Stil völlig aus den Augen und wurden durch zwei Standards und einen Konter böse bestraft. „Papa“ Papadopoulos wuchtete den Ball nach einer Ecke gegen den nächsten seiner Ex-Clubs ins Tor, bevor Neuzugang Walace ebenfalls per Kopf auf 2:0 erhöhte. Die Leipziger Viererkette war aber auch sonst häufig fahrig unterwegs. Dies lag vor allem am jungen Upamecano, der so überfordert wirkte wie beim Öffnen des BHs seiner ersten Freundin. Aber auch nach seiner Auswechslung und taktischen Änderungen fehlte den Rasenballsportlern der gewohnte Spielwitz. Einzig Abwehrchef Orban versprühte Humor, als er in der Schlussphase nach einer Behandlung den Medizinkoffer der Hamburger ins aus Warf und so die womöglich dümmste Gelbsperre der Bundesligageschichte kassierte. Wer noch einen Beleg dafür brauchte, wie groß die Löcher in der Leipziger Defensive an diesem Abend waren, sollte sich nur vor Augen führen, dass Dennis Diekmeier, Inbegriff der Talentfreiheit, frei vor dem Tor auftauchen durfte. Er löste die Situation dann aber diekmeieresk und hob den Ball an die Latte.Keine halbe Minute nach seiner Einwechslung besorgte schließlich Aaron Hunt in der Schlussminute den 3:0 Endstand und hievte den HSV das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit von den Abstiegsrängen. Wer hätte gedacht, dass so etwas mal geschehen würde?
Zum Abschluss des Samstags empfing dann der Schalke Drehspieß – nicht Fisch nicht Fleisch – die Berliner Hertha. Und letztere scheint dort weitermachen zu wollen, wo man letzte Rückrunde aufgehört hat: Mit Versagen. Der Auftritt auf Schalke war ähnlich unmotiviert wie ein unzufriedener Mitarbeiter und so hatten die Schalker wenig Mühe, das Spiel verdient für sich zu entscheiden. In der ersten Halbzeit war es Burgstaller, der nach diabeteserregend zuckersüßem Lupferpass von Bentaleb die Schalker Führung markierte, obwohl es ihm beim Abschluss glatt den Schlappen auszog.
Vorangegangen war ein Ballverlust von Kalou im Mittelfeld, nach welchem er so trotzig mit Desinteresse reagierte, dass er an ein Kind erinnerte, dem man nach einem Sturz vom Dreirad keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Nach der Pause war es dann erneut Bentaleb, der diesmal per Lob-Pass Goretzka bediente. Der schickte den angrätschenden Brooks ins Kino und besorgte anschließend per sattem Schuss den 2:0 Endstand.
In einer ähnlich willkürlichen Verfassung wie der FC Schalke befindet sich in dieser Saison der VfL Wolfsburg, was die Wölfe im Spiel gegen die TSG Hoffenheim auch eindrucksvoll nochmal komprimiert unter Beweis stellten. Die erste, sehr ruppige Hälfte gehörte dabei komplett den Gästen aus dem Kraichgau, die offensiv ein ums andere Mal gefährlich zum Abschluss kamen, während bei den Gastgebern Top-Stümper Mario Gomez den Ball immer wieder versuchte anzunehmen, aber an seinen eigenen Backsteinfüßen scheiterte. Da Zuber zumindest eine Torchance nutzte, ging es mit 1:0 für die TSG in die Kabine. Nach der Pause kam Daniel Didavi und mit ihm scheinbar das Wolfsburger Talent aufs Feld. Denn plötzlich waren die Wölfe Tonangebend und kamen so auch schnell zum Ausgleich. Süle klärte eine Ecke ins Zentrum an die Strafraumgrenze, wo Maxi Arnold sich ein Herz nahm und Volley abzog. Einen Wimpernschlag später schlug der Ball im Hoffenheimer Netz ein und wäre ohne dieses wohl nun in einer Umlaufbahn um die Erde. Oder womöglich bereits auf dem besten Weg zum Mars. Die NASA jedenfalls hat Arnold nach dem Schuss bereits verpflichtet, um zukünftig bemannte Weltraummissionen ins All zu kicken.
In der 73. Minute war es dann der herausragende Didavi, der nach einer Ecke samt Kopfballverlängerung am richtigen Fleck lauerte und das 2:1 erzielte. Dabei blieb es bis zum Ende, sodass die Hoffenheimer nach ungeschlagener Hinrunde nun bereits die zweite Auswärtsniederlage in Folge zu verdauen haben. Auch damit war nicht unbedingt zu rechnen.
Den Spieltag beschließen durfte dann zu guter Letzt der SC Freiburg mit seinem Heimspiel gegen den 1. FC Köln. Das Duell der Tabellennachbarn war zunächst ein Duell auf Augenhöhe, mit leichten Vorteilen für die Gastgeber, welche aber erst nach einer guten halben Stunde zählbar wurden, als der agile Grifo von der sonst so sicheren Kölner Hintermannschaft mehr Platz bekam als ein Obdachloser in der Straßenbahn und diesen zum 1:0 nutzte.
Noch vor der Pause gelang den Geißböcken jedoch der Ausgleich. Am Ende eines feinen Spielzuges schon Anthony Modeste lässig zu seinem 16. Saisontor ein. Nach der Pause war dann zunächst der FC aktiver, schaffte es aber nicht, der ersehnten Führungstreffer zu erzielen. Dies gelang erst den Freiburgern in der 77. Minute, als Kessler einen Freistoß von Grifo unglücklich ins Feld prallen ließ und Philipp sich artig mit dem Siegtreffer bedankte. Ernüchterung bei den Domstädtern, welche die Chance auf Tabellenplatz 3 leichtfertig liegen ließen wie ein Messi Sachen in seiner Wohnung. Freude hingegen bei den Breisgau-Brasilianern, die weiterhin mit dem Abstieg so wenig zu tun haben wie ein Veganer mit ausgewogener Ernährung. Einzig Florian Niederlechner wird den Sonntag in nicht so schöner Erinnerung behalten: eine mäßige Leistung kombiniert mit zwei deftigen Volltreffern in die Familienplanung sind definitiv kein schöner Sonntag.