Am Freitagabend war es dann endlich soweit, das Leben bekam wieder einen Sinn und Väter einen Grund, das Wochenende nicht mehr mit ihren Familien verbringen zu müssen. Gott sei Dank! Zum Auftakt lud, wie gewohnt, der FC Bayern zum Gastspiel in die Allianzarena. Gast diesmal war die, wie ebenfalls gewohnt, hochmotivierte Werkself aus Leverkusen, die laut eigenen Angaben nicht nur mit dem olympischen Gedanken nach München reisen wollte. Blöd nur, wenn man dann in der Sommerpause entschieden hat, Standardsituationen nicht zu verteidigen. Die bayrischen Neuzugänge Süle, dessen Größe und Kopfballstärke sich scheinbar genauso wenig nach Leverkusen herumgesprochen hat wie eine richtige Fankultur, sowie Tolisso ließen sich nicht zweimal bitten und sorgten zur Halbzeit dafür, dass man in München schon vom üblichen Kantersieg zum Saisonauftakt ausging. Der Videoschiedsrichter in Köln schlug kurz nach der wegen Starkregens verlängerte Halbzeit in die gleiche Kerbe, schenkte dem FCB einen Elfmeter und Lewandowski nutzte diesen zum Beginn seiner diesjährigen Jagd auf die Torjägerkanone.
Doch plötzlich hatten die Münchener, womöglich auch wegen des unsommerlichen Wetters, keinen Bock mehr zu verteidigen und Leverkusen witterte die Chance. Mehr als der Anschlusstreffer von Mehmedi sollte aber nicht mehr fallen, stattdessen blieben einige Chancen ungenutzt wie Kondome von aknegeplagten Teenies, die fälschlicherweise dachten, ihre Zeit wäre gekommen.
Am Samstag gab es dann wieder die volle Breitseite Bundesliga. Zwei Dinge hatten dabei alle Stadien gemeinsam: Zum einen die Schweigeminute in Gedenken an die Opfer des Terrors in Barcelona, zum anderen „Scheiß DFB“ Gesänge, flankiert von nicht sonderlich niveaustarken Plakaten.
Dass sich ein solcher Protest scheinbar durch alle „Ultra“ Gruppierungen an diesem Spieltag zog, zeigt die Tatsache, dass selbst in Wolfsburg Plakate ausgerollt wurden – ein Schauspiel fast so selten wie unmanipulierte Abgaswerte aus der Autostadt. Dass ein so primitiver wie undurchdachter Protest zeigt, was in der Fanszene schief läuft, scheinen die beteiligten wohl nur bedingt zu realisieren. Ein Kompliment an dieser Stelle übrigens an die Ultras GE des FC Schalke, die auf den Protest verzichteten und lieber zielgerichtet Vorschläge ausarbeiten wollen. Wer keine Arbeit hat, hat scheinbar genug Zeit zum nachdenken.
Aber zurück zum Fußball selbst. Diesen durfte am Samstag auch Hannover 96 nach einem Jahr Abstinenz wieder einmal in der 1. Bundesliga zelebrieren, genauer gesagt beim Gastspiel in Mainz. Von „zelebrieren“ konnte aber eigentlich keine Rede sein, denn wirklich ansehnlich war das nicht, was die beiden „Kleinen“ der Liga da auf den Rasen brachten. Das bessere Ende konnte dann aber der Aufsteiger für dich verbuchen – der ewige Harnik besorgte mit seiner einzigen Chance den Siegtreffer und packte so die ersten drei Punkte in den Sack des „kleinen“ HSV.
Beim großen HSV wurde ein Spieler schon in der Anfangsphase zum Sinnbild einer Mannschaft und eines ganzen Vereins: Nicolai Müller. Der deutsche Nationalspieler (ja, selbst Nicolai Müller gehört zu diesem „erlesenen“ Kreis) brachte den HSV früh unter tätiger Mithilfe von FCA Keeper Hitz in Führung, setzte danach zum Jubel-Propeller an verabschiedete sich weniger Minuten später in die vorzeitige Winterpause – Diagnose Kreuzbandriss.
So leid es einem für den Spieler tut, so symptomatisch ist es gleichzeitig für den Hamburger SV, wo schon vor Saisonbeginn Investor Kühne gegen alles und jeden wettert. Aber hey, drei Punkte hat man schon mal auf der Haben-Seite.
Mit solchen Gedankenspielen beschäftigt man sich beim BVB schon lange nicht mehr. Nach den schier unendlichen Kindereien in der Causa Dembele wollte man das Spiel gegen den VfL Wolfsburg viel mehr als lockeren Aufgalopp in eine erfolgreiche Saison nutzen. Da die Wölfe keine Ambitionen hatten Gegenwehr zu leisten, gelang das dann auch problemlos mit 3:0. Besonderes bemerkenswert war dabei zum einen das Comeback von Mario „Babyspeck“ Götze, der sein Comeback feierte und scheinbar in der Sommerpause das Zeitreisen für sich entdeckt hat um wieder Ansätze auf dem Platz zu zeigen, die an die gute alte Zeit vor seinem Wechsel auf die Bank des FC Bayern erinnerten. Zum anderen die wundersame Verwandlung von Marc Bartra. Der spanische Innenverteidiger dachte sich wohl, wenn Dembele nicht spielt, dürfe er auch mal auf dem offensiven Flügel auftauchen, bekam im Strafraum den Ball und schrubbte ihn traumhaft und unhaltbar ins lange Eck in den Winkel. Wenn ein solches Tor mit Bartra im Videospiel fällt, beschwert man sich über fehlenden Realismus. In Wolfsburg fragte man sich eher, ob sich der findige Dembele nicht einfach nur verkleidet hatte.
Eine solche Maske hätte am Samstag sicherlich auch Florian Kainz von Werder Bremen gebrauchen können. Nach 29 Minuten bot sich ihm die Chance, aus kürzester Entfernung den Ball ohne Anwesenheit des Torhüters zur nicht unverdienten Führung seiner Bremer gegen Hoffenheim über die Linie zu drücken. Es ist nicht überliefert, ob er mit den Gedanken schon beim Torjubel, seiner zuhause wartenden Einkaufsliste oder sonst wo war, in jedem Fall brachte er den Ball nicht im Netz unter und als Krönung des gebrauchten Tages verloren seine Farben am Ende auch noch unglücklich, durch einen abgefälschten Ball, mit 0:1. Somit bleibt die Frage, wie viele Saisontore der junge Österreicher bisher hat leicht zu beantworten: Kainz, äh, Keins.
Mit dieser Antwort lag man bisher auch immer richtig oder zumindest ziemlich nah dran, wenn es um die Bundesligatore von Mathew Leckie ging. In 71 Einsätzen in der deutschen Belle-Etage gelangen dem australischen Stürmer, wenn man ihn denn so nennen will, ganze drei Tore. Da schießt Robert Lewandowski binnen neun Minuten gegen Wolfsburg mehr Tore, aber der Vergleich ist ja auch nicht ganz fair. Doch kaum wechselt Leckie aus dem beschaulichen Ingolstadt in die Hipster-Metropole Berlin, platzt der Knoten scheinbar auch beim Chancentod. Kalt wie Hundeschnauze schnürt der Aussie gegen Aufsteiger Stuttgart den Doppelpack und sorgt so für den gelungen Saisonstart für seine alte Dame. In Berlin wird scheinbar wirklich jeder irgendwie cool.
Den Inbegriff von Coolness stellte in der vergangenen Saison auch RB Leipzig mit einer Spielweise dar, die in der Liga ihresgleichen suchte und letztlich zu einem nie gefährdeten zweiten Platz führte. Zum Auftakt ging die Reise für die roten Bullen nun ins bodenständige Gelsenkirchen, wo der FC Schalke mit, mal wieder, neuem Trainer, neuer Taktik und neuer Aufbruchsstimmung wartete, nachdem bei Markus Weinzierl, mal wieder, festgestellt werden musste „Der passt nicht zu uns auf Schalke“. Aber Moment Mal, Schalke gegen Leipzig, da war doch was. Richtig, Timo Werners Schwalbeneinlage in der letzten Saison, die ihn zum Opfer von Schmähgesängen vom Ruhrpott, über die Darts-WM bis zum Ballermann machte. Wie Fußballfans nunmal so sind, vergessen sie nicht, und so schwappte dem jungen Nationalspieler auf Schalke eine Stimmung entgegen, als würde die Arge Gelsenkirchen einen Tag zu spät zahlen. Ob’s an diesen Pfiffen lag, ist zweifelhaft, aber Schalke gelang es, die Bullen vom eigenen Tor fernzuhalten wie dem Bauern mit nem Elektrozaun und auf der anderen Seite wurde zwei Mal eingenetzt. Das Ende vom Lied: Schalke gewinnt 2:0 und die ersten Träumen schon wieder von der Meisterschaft. Amüsante Anekdote am Rande: Während des Spiels wurde per Durchsage nach einem Fahrzeughalter gesucht, der seinen Wagen im Parkhaus mit steckendem Schlüssel und laufendem Motor stehengelassen hatte. In diesem Moment wurde der Stadionsprecher mit seiner Reaktion „Hömma Kollege, ich weiß nicht wat mit dir los ist!“ zur Legende.
Der Sonntag hatte dann an solch unterhaltsamen Highlights nicht mehr wirklich viel zu bieten. Beim ersten Spiel zwischen dem SC Freiburg und Eintracht Frankfurt zeigten die Gäste aus Hessen gelebte Integration und Vielfältigkeit: 11 Spieler, 6 davon Neuzugänge dieses Sommers, kein deutscher Spieler – ein Vorbild für die Bundesregierung für jede Integrationsoffensive. Aber zurück zum Spiel: in der ersten Halbzeit traf Frankfurt die Latte und Freiburg quasi im Gegenzug das Tor. Dieses wurde vom Videoassistenten wegen Abseits zurecht aberkannt und so blieb es letztlich bis zum Ende beim torlosen und einzigen Remis dieses Spieltags. Das einzige „Highlight“ der zweite Hälfte war übrigens der Princenbesuch in Freiburg: Frankfurt Neuzugang Kevin-Prince Boateng kam kurz vor Schluss zu seinem Bundesligacomeback. Mal sehen, wann das erste Sprunggelenk des Gegners dran glauben muss.
Zum Abschluss des Spieltags gab es dann das heiß ersehnte Rheinderby zwischen den Gladbacher Fohlen und den Geißböcken aus Köln, dessen Geschichte allerdings schnell erzählt ist: Gladbach startet stark und furios, bleibt im Abschluss aber zu ungenau, der FC kommt nur schwer ins Spiel, kassiert nach der Pause ein Konter Gegentor durch Nico Elvedi und lässt am Ende die Durchschlagskraft vermissen. So bleiben die drei Punkte im Fohlenstall und die Kölner reisen, wie so häufig in den letzten Jahren, mit leeren Händen vom Niederrhein nach Hause.
Was bleibt am Ende vom 1. Spieltag? Der Videobeweis ist da, aber kränkelt noch wie eine Ehemann mit Erkältung, die üblichen Verdächtigen stehen schon wieder an der Tabellenspitze und beim HSV klappt selbst das Jubeln nicht ohne Verluste. Also eigentlich alles wie immer, aber trotzdem bin ich froh, dass die Bundesliga endlich wieder da ist. Gut Kick miteinander.