In Deutschland herrscht, so munkelt man zumindest, Meinungsfreiheit und so ist es auch im Fußball. Kaum ein Fan hat keine Meinung und zu den klassischen Fragen nach dem tollsten Verein oder dem besten Spieler gibt es fast so viele Meinungen und Begründungen wie aktuell Querelen innerhalb der SPD. Diese Vielfalt ist gut und ist auch ein großer Teil der Fußballkultur, aber trotzdem hat die Bundesliga es geschafft, an diesem 23. Spieltag gleich zwei Themen zu liefern, in der sich eigentlich alle einig sind: Den Videobeweis und Montagsspiele.
Fernab angenehmer Anstoßzeiten
Die Anstoßzeiten in der Bundesliga und vor allem die Zerstückelung des Spieltags sind in den letzten Jahren immer mehr zum Thema geworden, da Fans vor allen Dingen Freitags- und Montagsabends wohl besseres zu tun haben, als sich ins Stadion zu setzen. An diesem Wochenende gab es nun direkt beides im Angebot – und das erstmals sogar völlig regulär und ohne etwaige Notwendigkeit eines Nachholspiels. In Berlin empfing am mittlerweile schon gewohnten Freitagabend die Hertha Mainz 05 – nur interessiert hat das nicht wirklich viele Leute. Das weite Rund im Olympiastadion war so spärlich besucht, dass die Anwesenden wohl reichlich im Durchzug saßen und dann auch noch mit einem Spiel bestraft wurden, dass man sich zumindest aus Berliner Sicht vollkommen hätte sparen können. Robin Quaison, seines Zeichens Stürmer bei den zuletzt arg gebeutelten Mainzern, betätigte sich als Tunnelarbeiter und schoss durch insgesamt drei Beinpaare zwei Tore und sein Team damit zum ersten Auswärtssieg seit fast genau einem Jahr.
Und die Hertha? Die holte sich in Person von Kapitän Ibisevic eine blutige Nase und wollte womöglich mit dieser völlig blutleeren Leistung auch ein Zeichen gegen Freitagsspiele setzen.
Beim ersten Montagsspiel der Saison in Frankfurt war das Stadion hingegen gut gefüllt, abgesehen vom fast verwaisten Leipziger Gästeblock, und die Fans nutzten die Bühne, um gegen diese Ansetzung zu protestieren. Mit einem friedlichen Sturm des Innenraums inklusive artiger Rückkehr in den Block vor dem Spiel, einem Tennisball-Bombardement in der Halbzeit und zahllosen Plakaten überall im Stadion (Quelle Titelbild: T-Online.de) zeigten die Frankfurter, was sie von Montagsspielen halten – und wieso an einem Montagabend gar keine Zeit für sowas ist: „Montag ist verplant – Freibier im Saunaclub“ oder „Selbst mein Friseur hat montags frei“ waren nur zwei der durchaus triftigen Gründe. Auf dem Platz ging die Montagsdemo dann übrigens durchaus verdient mit 2:1 an die Frankfurter Gastgeber, womöglich auch weil die Spieler von RP Leipzig mit der Geräuschkulisse nicht zurechtkamen: das gesamte Spiel über wurden sie mit Trillerpfeifen von den Rängen beschallt, wie man es sonst nur von Verdi-Demos am 1. Mai kennt. Den Frankfurtern wird’s egal sein, denn immerhin sorgte der Verzicht auf’s Kinderturnen am Montag für einen weiteren Schritt im Rennen um die Championsleague Töpfe.
Lohnende Reisen
Dass es um diese Töpfe ein Rennen gibt, ist in München überhaupt nicht bekannt, denn im Grunde sitzt der FC Bayern schon vor der Saison am Tisch und wartet auf die restlichen Gäste. Nun ging es aber für die Über-Bayern nach Wolfsburg, wo man im Vorfeld des Championsleague Achtelfinals naturgemäß nicht mit der vollen Kapelle antrat. Womöglich lag es auch daran, dass die Wölfe durch einen Didavi Kopfball in Front gingen und sich fortan lange erfolgreich gegen die Münchener Handball-Taktik wehren konnten. Aber Arjen Robben hatte dann doch etwas gegen die Niederlage und kümmerte sich persönlich um die Wendung im Spiel. Den Ausgleich durch Sandro Wagner leitete er mit seinem rechten Fuß ein, von dem man nicht nur in Wolfsburg ausging, dass es sich um eine gut gelungene Attrappe handelt. Den Elfmeter zum 2:1 ließ er großzügig liegen, holte dafür aber in der Nachspielzeit gegen den jungen Itter noch einen heraus, als er schneller fiel als ein Kartenhaus. Lewandowski machte es dann besser und sicherte den Bayern den Sieg – was für eine Überraschung *gähn*.
Deutlich überraschender ist derweil, war Tayfun Korkut seit seinem Amtsantritt beim VfB Stuttgart leistet. Denn in den ersten beiden Partien unter dem gemeinhin als personifiziertem Misserfolg unter den Trainern geltenden Coach holten die Stuttgarter vier Punkte bei nur einem Gegentor. Und diese Erfolgsgeschichte sollte auch im Schwaben-Duell beim FC Augsburg nicht enden. Ein klassischer Gomez, weder schön, noch elegant aber dafür halt drin, reichte zum 1:0 und damit zum ersten Auswärtssieg in dieser Saison. Wer hätte das beim Amtsantritt von Tayfun Korkut gedacht?
Wahrscheinlich die gleiche Hand voll Leute, die auch erwartet haben, dass Borussia Mönchengladbach nach 23 Spieltagen als Vorletzter der Rückrundentabelle mit mickrigen 3 Punkten gerade das vierte Spiel in Folge ohne Tor verlieren würde. So geschehen nun auch beim Heimspiel gegen Borussia Dortmund auf einem Geläuf, das mit Rasen herzlich wenig zu tun hatte und eher an ein verunglücktes Experiment eines Hobby-Gärtners erinnerte.
Dem BVB reichte ein nicht ganz so gewollter Geniestreich von Marco Reus, der bei diesem Flickenteppich von Rasen fast schon erstaunlicherweise unverletzt blieb, zur 1:0 Führung während die Fohlen Chancen für mindestens drei Bundesligaspiele hatten, aber wahlweise an sich selbst oder an der ausnahmsweise lückenlosen Schweizer Mauer namens Roman Bürki im Dortmunder Gehäuse scheiterten. Während die Gladbacher Winter-Depression somit immer akuter wird, bleibt Peter Stöger mit dem BVB in der Liga ungeschlagen und feierte bereits den dritten Sieg in Serie. Will da etwa jemand länger als bis zum Saisonende in Dortmund bleiben?
Schiri-Frust im Abstiegskampf
Stögers Ex-Club, der 1.FC Köln, greift bekanntlich nach einer desaströsen Hinrunde seit Wochen verzweifelt nach jedem Strohhalm, der auch nur annähernd in Reichweite kommt. Im Heimspiel gegen Hannover, laut Trainer Ruthenbeck natürlich ein Endspiel, obwohl die beiden vorangegangenen „Endspiele“ gegen Dortmund und Frankfurt verloren wurden, sollte nun ein Dreier her – und es ging gar nicht so schlecht los. Osako brachte den FC mit einem pfundigen Schuss aus kurzer Distanz in Front, ehe sich die gänzliche Zugrifflosigkeit der Kölner in der Zentrale rächte und Füllkrug noch vor der Pause ausglich. In der Pause schien der Schiedsrichter-Assistent in der Hannoveraner Hälfte dann entweder seine Kontaktlinsen oder seinen Blindenhund in der Kabine vergessen zu haben, denn anders ließ sich seine Leistung nicht erklären. Zwei aussichtsreiche Kölner Angriffe wurden ohne vorliegende Abseitsstellung zurück gepfiffen, während der vermeintliche Siegtreffer in der Nachspielzeit vom Pizzamann Claudio Pizarro wegen einer Abseitsstellung des vorbereitenden Risse erst vom Videoassistenten zurückgenommen wurde.
Vielleicht wollte sich der Linienrichter auch nur an den enttäuschten Hoffnungen des Kölner Anhangs laben, aber am Ende stellte sich mal wieder die Frage nach der Gerechtigkeit bei Schiedsrichterentscheidungen – trotz oder gerade wegen des Videobeweises.
Weiteres Öl ins Feuer dieser heißen Debatte gab es zeitgleich beim Spiel Freiburg gegen Bremen. Im ungemütlichen Freiburger Schneeregen erwischten die Bremer weiß Gott keinen guten Tag, wurden aber von den Breisgauern nicht nur niedergekämpft, sondern vom Schiedsrichtergespann gleichzeitig auch ein Stück weit niedergepfiffen. Dem zu Recht gegebenen Elfmeter zur Freiburger Führung durch Petersen war ein Freistoß vorausgegangen, der vom Schiedsrichter deutlich hörbar erst freigegeben wurde, als der Ball bereits lange gespielt war. Außerdem durfte Abrashi die Verarbeitungsqualität von Bargfredes Schienbeinschoner mit seinen Stollen testen, ohne dafür mit einem frühzeitigen Eintritt in die Kabine bestraft zu werden.
Und auch ein klares Stoßen im Strafraum wie beim Pogo auf einem Rock-Konzert in den Rücken von Max Kruse blieb vom Schiedsrichter ungestraft. In allen drei Fällen hielt sich auch der Videoschiedsrichter zurück und nicht nur als Bremer fragt man sich einmal mehr, ob im Kölner Keller überhaupt Fußball läuft oder doch eher The Big Bang Theory. Da Haberer kurz vor Schluss den zweiten Freiburger Elfmeter neben das Tor setzte, blieb es beim knappen 1:0 und dem damit verbundenen Bremer Rückschlag im Abstiegskampf.
Von Rückschlägen kann man derweil in Hamburg ja eigentlich schon gar nicht mehr sprechen, schließlich ist der HSV gefühlt seit dem dritten Spieltag der laufenden Saison schon schlecht. Allerdings wurde aus diesem schlecht seit dem Trainerwechsel zu Bernd Hollerbach unterirdisch, denn was die Hamburger zuletzt anboten hatte mit vielem etwas zu tun, aber nicht mit Bundesliga-Fußball. So auch gegen Leverkusen, denen zwei halbwegs aufmerksame Aktionen von Bailey und Havertz zum Sieg reichten. In beiden Fällen befand sich die komplette Hamburger Hintermannschaft im Winterschlaf und leistete quasi keine Gegenwehr. Andre Hahn gelang zwar noch irgendwie der Anschlusstreffer, aber insgesamt kann der HSV froh sein, dass Spiel mit 11 Mann verloren zu haben, denn sowohl Papadopoulos für eine Tätlichkeit als auch Salihovic für rüde Holzfällerarbeiten hätten vom Platz gestellt werden müssen. Aber wie bereits festgestellt lief an diesem Samstag im Kölner Darkroom wohl nicht die Bundesliga.
Spiel des Spieltags
Zumindest zum Top-Spiel des Spieltags hatten die Herren in Köln dann mal auf Sky Bundesliga umgeschaltet und verfolgten die Partie zwischen dem FC Schalke 04 und der TSG Hoffenheim. Dabei kamen die knappen sowas von gut aus den Startlöchern, dass den Hoffenheimern fast schon Hören und Sehen verging. Kehrer besorgte die Führung, bevor Embolo doppelt traf. Allerdings fand nur der zweite Treffer des Schweizers Anerkennung, denn der erste war vom Videoassistenten zurecht wegen einer Abseitsstellung annuliert worden. Beim zweiten wurde er dann, womöglich aus Höflichkeit, aber vom Hoffenheimer Kapitän Vogt so freundlich eingeladen, dass er gar nicht nein sagen konnte. Nach dem Seitenwechsel wurde es dann kurios: einer der Schiedsrichterassistenten hielt sich für geschickter als er war, knickte beim agilen Side-Step an der Linie um und musste verletzungsbedingt ausgewechselt werden.
Der vierte Offizielle übernahm den Platz an der Linie und ein Schiedsrichter aus dem Publikum schlüpfte in die Rolle des vierten Offiziellen. Die Spieler ließen sich davon nur bedingt beeindrucken und boten auch weiterhin eine äußerst ansehnliche Partie – in der Schlussphase sogar mit aktiver Beteiligung der Gäste aus dem Kraichgau. Mehr als der Anschlusstreffer durch Kramaric sollte aber nicht mehr gelingen, sodass es am Ende 2:1 für Königsblau hieß. Schalke beißt sich durch diesen Sieg weiterhin oben fest während die TSG zunehmend im Niemandsland der Tabelle zu verschwinden droht.