Gerade einmal 26 Tage sind zwischen dem Ende der Hinrunde und dem Auftakt des 18. Spieltags vergangen, aber trotzdem fühlte sich die Winterpause an wie ein Besuch beim Hausarzt an einem Montagmorgen in der kalten Jahreszeit – quälend lang. Umso wärmer wurde mir ums Herz, als am Freitagabend endlich wieder Bundesliga-Fußball über den Bildschirm flimmerte (kleiner Gruß an den Eurosport Player), auch wenn dieser ausgerechnet in der BayArena in Leverkusen stattfinden musste. Aber irgendwie hat die kurze Verschnaufpause über den Jahreswechsel gar nicht so unbedingt für frischen Wind gesorgt, sondern viel mehr Spieler an alte Wirkungsstätten verschlagen und Mannschaften in alte Verhaltensmuster fallen lassen.
Gute Vorsätze und alte Marotten
Beginnen wir mit den alten Lastern, die trotz all der guten Vorsätze für das neue Jahr doch schneller wieder aufkommen, als es einem lieb sein kann. Was jeder kennt, der wahlweise mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport treiben oder sich einfach am Wochenende weniger oft die Lichter ausschießen will, kennt man auch beim Hamburger SV zur Genüge. Wie jedes Jahr sollte auch 2018 alles besser werden und was passiert? Erstes Auswärtsspiel, erster individueller Fehler in der Defensive, erstes Gegentor trotz Torwartwechsel und erste Auswärtsniederlage ohne großartige Gegenwehr. Dem FCA als Nutznießer werden diese üblen Hamburger Marotten natürlich genauso egal sein, wie den Freiburgern die Tatsache, dass die Frankfurter Eintracht weiterhin zuhause die Chancen nicht nutzt. 16:2 Torschüsse reichten den Frankfurtern nicht, um über ein 1:1 gegen die Breisgau-Boys hinaus zu kommen. Kurios dabei: der Torschuss der nicht den Weg ins Tor der Frankfurter fand, wurde auf der Linie von Wolf künstlerisch hoch wertvoll per geschicktem Pfosten-Pass zum Keeper gerettet. Während man sich in Freiburg über diesen seltenen Auswärtspunkt freut, dominiert bei der Eintracht wohl weiterhin das Fernweh – denn da läuft es mit dem Punkten deutlich besser als zuhause (18 Punkte vs. 9 Punkte).
Apropos schlechte Angewohnheiten: Dem Vernehmen nach hat davon Dortmunds Swag-Lord Aubameyang eine ganze Menge. Und augenscheinlich hat er sich auch für 2018 keine Besserung vorgenommen. Denn nachdem er in der Winterpause schon seine halbe Familie mit ins Trainingslager in Urlaub nahm, blieb er nun der wichtigen, teambildenden Mannschaftssitzung vor dem Heimspiel gegen Wolfsburg kurzerhand fern – angeblich hatte er den Termin einfach vergessen. Das passiert natürlich schnell, wenn man morgens erstmal stundenlang überlegen muss, welchen Sportwagen man sich denn heute kauft oder welcher Friseur auf dem Erdball denn als nächstes eine „Frisur“ entwerfen darf. Auba jedenfalls flog aus dem Kader und der BVB zeigte dann, dass dies sportlich zumindest keine ganz so gute Idee war.
Mit zwei Teenies im Sturm (Sancho und Isak) und einem Ukrainer (Yarmolenko) , der zwar beidfüßig ist aber mit beiden Füßen manchmal nicht so recht etwas anzufangen weiß wie ein Bär auf Rollschuhen, wollte trotz reichlich hochkarätiger Chancen gegen den VfL Wolfsburg kein Tor gelingen, sodass am Ende lediglich ein biederes 0:0 zu Buche stand. Nicht ganz so bieder, aber von der Auswirkung auf das Punktekonto identisch ging es in Bremen zu. Die winderprobten grünen Werderaner trafen dabei auf die in modischem Müllmann-Orange gekleideten Hoffenheimer – ein modischer Verkehrsunfall. Zwei Standardsituationen sorgten am Ende für das 1:1, obwohl vor allem im letzten Spieldrittel das Match hin und her wankte wie nach einem Abend mit selbstgebranntem Fusel. Vor allem Andrej Kramaric hatte noch ein Tor auf dem Fuß, als er sechs Meter vor dem Bremer Kasten nur noch einschieben brauchte. Der Kroate hatte die Rechnung aber ohne Keeper Pavlenka gemacht, der katzengleich durch den Fünfer sauste und den Stürmer rat- und torlos zurückließ. Serge Gnabry, der zu seiner „alten“ Liebelei Werder mit der TSG zurückkehrte, wurde übrigens fortwehrend ausgepfiffen – weder nett, noch überraschend.
Heimweh und Serienende
Deutlich angenehmer wurden Spieler empfangen, die in der besinnlichen Weihnachtszeit scheinbar in Erinnerungen schwelgten und zu ihren Ex-Vereinen zurückkehrten. Retro ist ja heutzutage voll im Trend. So streiften sich Sandro Wagner, Mario Gomez und Simon Terodde wieder die Trikots ihrer früheren Vereine über und kehrten somit in die Heimat zurück. Ist es Zufall, dass es sich bei allen dreien um Stürmer im fortgeschrittenen Fußballer-Alter handelt? Ein Schelm, wer böses dabei denkt und so die Romantik zerstört. Denn wie es zu einer neu entflammten alten Liebe passt, hatten alle drei direkt Erfolg. Mario Gomez ließ sich bei seinem Comeback im Schwabenland auch direkt als Held feiern, schließlich hatte er im Ringen Hertha Verteidiger Niklas Stark besiegt und ihn gleichzeitig zu einem sehenswerten Eigentor-Schlenzer gezwungen, wie ein Stürmer es nicht besser hätte machen können.
Oder hatte doch Stark gewonnen und Gomez Fähigkeiten dabei geraubt? Das werden wohl erst die nächsten Wochen zeigen. Das Tore-Schießen jedenfalls sollten die Berliner nochmal dringend üben, denn trotz Chancenwucher reichte das Eigentor dem VfB für einen 1:0 Heimsieg.
Das Ergebnis hätte man garantiert im Vorfeld auch in Köln unterschrieben, schließlich stand zum Auftakt der Rückrunde direkt das Derby gegen Borussia Mönchengladbach auf dem Plan. Seit Robert Hoyzer sind solche Planungen vor dem Spiel aber in Deutschland nicht mehr üblich, sodass doch tatsächlich gespielt werden musste. Wirklich erbaulich war das Ganze auf dem Grün zwar nicht, aber immerhin passierte etwas. Sörensens Stocher-Führung nach einem Jojic Freistoß konnte der eingewechselte Raffael in der zweiten Halbzeit ausgleichen und in Köln roch es schon wieder so markant nach Niederlage wie bei Lush nach Seifenaroma. Als dann auch noch der Videoschiedsrichter nach einer Grätsche von Mere im Strafraum eingriff, schien Hopfen und Malz für den FC verloren. Aber dann erhielt das gute alte Glück plötzlich wieder Einzug in die Domstadt: der Schiedsrichter entschied (fälschlicherweise) auf Abstoß statt Elfmeter und in der Schlussminute wurde es dann kitschiger als in jeder Schnulze im öffentlich rechtlichen Fernsehen: in der fünften Minute der Nachspielzeit bekam der viel gescholtene Flanken-Legastheniker Konstantin Rausch den Ball, spielte die Hereingabe seines Lebens in die Mitte und fand dort ausgerechnet den Kopf von Comebacker Simon Terodde zum Last-Minute-Siegtreffer.
So ein Happyend hätten sich selbst die verzweifeltsten und romantischsten Zeitgenossen unter den Drehbuchautoren der Fernsehfilme nicht einfallen lassen – so unrealistisch erschien genau dieses Szenario (Quelle Titelbild: Kicker.de). Kuriosität am Rande: Für eine Halbzeit-Show der etwas anderen Art sorgten drei Kölner Anhänger. Die jungen Herren hatte sich als Ordner verkleidet, eine Zaunfahne aus dem Gästeblock stibitzt und waren mit dem Diebesgut in einem Tempo wie Usain Bolt quer über das Feld zurück in die Arme ihrer vermummten Kameraden gesprintet. Nicht gerade die feine Art, aber immerhin ziemlich unterhaltsam.
Deutlich weniger romantisch verlief indes die Heimkehr von Sandro Wagner. SWagner fand sich nämlich trotz eines fehlenden Robert Lewandowskis nur auf der Bank wieder und musste der bayerischen Fast-Renter-Kombo Robbery den Vortritt lassen. Aber auch ohne den selbsterklärten besten deutschen Stürmer sollte es für die Bayern reichen. Zwei Standards, einer davon äußerst sehenswert von James Rodriguez in der Schlussminute in den Winkel gemalt, sowie ein Diebstahl geistigen Eigentums durch Ribery, der den Robben baute, reichten gegen überraschend passive und ideenlose Leverkusener aus. Die hielten zwar ihre Serie am Leben, in jedem Spiel das Tor zu treffen, aber die wichtigere Serie mit 12 Spielen ohne Niederlage fand ein jähes Ende. Sandro kam übrigens nach 78 Minuten ins Spiel – womöglich lag es an seiner puren Anwesenheit, dass James Freistoß so wunderschön ins Tor segeln konnte.
Nachdem die Leverkusener Serie bereits am Freitagabend riss, musste Schalke am Samstagabend noch nachziehen. Getreu dem Motto: neues Jahr, neues Glück. Dabei lief es gegen RB Leipzig doch eigentlich klassisch schalkesk: Fährmann hielt einen Augustin Elfmeter aus der Hocke heraus und Naldo köpfte Mal wieder nahezu unbedrängt ein Tor. Scheinbar hatte es sich noch nicht bis Sachsen herumgesprochen, dass der rüstige Brasilianer mit seiner hühnenhaften Erscheinung durchaus kopfballstark ist.
Aber eben dieser Naldo war am Samstagabend omnipräsent auf dem Feld – nicht nur positiv. Denn an seinem gebrauchten Abend waren die Leipziger einfach zu flott für ihn unterwegs, sodass er an allen drei Gegentoren direkt beteiligt war: zweimal unhaltbar abgefälscht, einmal ein Fehlpass im Spielaufbau und voila, da war das 3:1 für RBL inklusive Sprung auf Platz zwei. Aber so wirklich will niemand die Bayern jagen, kann das sein?
Spiel und Spieler des Spieltags
Während die einsamen Runden des FCB an der Tabellenspitze überraschen wie Regen in England, sind die Protagonisten der Partie des Spieltags durchaus unerwartet: Hannover 96 und Mainz 05. Die beiden Underdogs lieferten sich einen fast schon Blockbuster-Schlagabtausch. Die 05er wähnten sich selbst mit einer 2:0 Führung bereits auf der Siegerstraße, als der Mann des Spieltags die Bühne betrat: Niklas Füllkrug.
Der Hannoveraner Stürmer netzte mit links, rechts und per Kopf und drehte so das Spiel quasi im Alleingang. Mit mehr Spielzeit hätte er an diesem Nachmittag wohl auch noch mit dem Hintern und dem rechten Ohrläppchen getroffen. So blieb es aber bei einem Dreierpack als Krönung eines überraschenden Topspiels im Gewand eines Gurkenkicks.
Insgesamt aber schon ganz schön was los nach der kurzen Pause, oder? Vor allem die Flut an Standard-Toren lässt erahnen, dass die Teams nicht nur faul in Dubai am Strand lagen. Mal sehen, ob sich daraus ein neuer Trend entwickelt.