Der Winter, oder wie eine etwas reißerische deutsche Tageszeitung es nennt, die „Russen-Peitsche“ hat Deutschland fest im Griff und macht auch vor den deutschen Stadien nicht halt. Bei Temperaturen, gegen die warme Gedanken, so wenig jugendfrei sie auch sein mögen, schon nur noch äußerst bedingt helfen, quälten sich zahlreiche Fans trotz des Risikos festfrierender Gesäße in die Arenen der Republik und wofür? Für mickrige 14 Tore in 9 Partien. 1,55 Tore pro Spiel als Gegenleistung für eine Erkältung ? Zweifellos kein guter Deal liebe Teams, da muss nächstes Wochenende aber wirklich mal mehr kommen.
Einschläfernde Unentschieden
Beginnen wir mit dem Spiel, dass den eh schon mageren Torschnitt am vergangenen Wochenende durch eine strikte Torverweigerung noch ein Stück weiter nach unten gezogen hat, als er eh schon war: FC Bayern gegen Hertha BSC Berlin. Ja, richtig gelesen, der große FC Bayern ist doch tatsächlich in einem Heimspiel gegen die graue Maus der Liga nicht über ein torloses Unentschieden hinaus gekommen. Wie konnte das passieren? Nun, die Sache ist schnell erklärt. Die Bayern wirkten für ein Heimspiel ungewohnt lustlos, die Hertha verteidigte engagiert und Rune Jarstein hielt all das wenige, was so in Reichweite seiner Arme kam.
So war am Ende nicht nur das bayerische Operettenpublikum not amused, sondern auch Robert Lewandowski, der seine Serie nach 11 Heimspielen in Folge mit mindestens einem Tor nun von vorn beginnen darf.
Gleiches gilt auch, mal wieder, für den VfL Wolfsburg. Nachdem Martin Schmidt zu Beginn der Woche überraschend das sinkende Schiff verlassen hatte, übernahm mit Bruno Labbadia ein alter Bekannter aus dem Bundesliga-Trainerpool das Ruder. Zum Auftakt erwartete ihn direkt ein Keller-Duell in Mainz und es wurde leider ein so müder Kick, wie es die Tabellenregion erahnen ließ. Nach müden 90 Minuten stand dann das Ergebnis zu Buche, was bereits unter Martin Schmidt das Trend-Resultat der Wölfe war: ein Unentschieden. Wer nach nun 24 Spielen nur sieben Niederlagen verkraften musste, sollte eigentlich um die Top-Plätze der Liga spielen. Wer allerdings nur vier Siege feiern durfte, gehört ans Tabellenende. Herr Labbadia sollte seinem Team also schnellstmöglich verklickern, dass die friedlichen Punkteteilungen am Ende nicht unbedingt das Gelbe vom Ei sind.
Diese Erkenntnis hat man in Hoffenheim sicherlich schon verinnerlicht, einzig an der Umsetzung hapert es hartnäckig. Denn auch im Heimspiel gegen Freiburg bewahrheitete sich das, was den Kraichgauern schon die ganze bisherige Saison anhängt: die Nutzlosigkeit der eigenen Führung. Die Gegner der TSG können mittlerweile einen Rückstand so locker wegatmen, als wären sie barfuß auf einen Legostein getreten. So geriet auch der SC Freiburg in einem unterdurchschnittlichen Bundesligaspiel durch einen schönen Kramaric Freistoß in Rückstand, nur um keine zehn Minuten später vom Elfmeterpunkt auszugleichen.
Da sonst nicht mehr viel passierte, sorgten also zwei Standards für das Endergebnis von 1:1. Nicht schön, aber immerhin genug um die TSG nach 24 Spieltagen ins absolute Mittelmaß zu befördern: 8 Siege, 8 Unentschieden, 8 Niederlagen und ein ausgeglichenes Torverhältnis von 38:38. Max Mustermann und Otto Normalverbraucher gefällt das.
Ganz und gar nicht gefiel hingegen den Fans das Spiel des BVB gegen den FC Augsburg. Kein Wunder, fand es doch am Montagabend statt. Nach den bemerkenswert kreativen und lautstarken Protesten in der Woche zuvor in Frankfurt fanden die neuen Montagsdemos nun ihre Fortsetzung mit Stille aufgrund des Boykotts des Stadionbesuches in Dortmund (Quelle Titelbild: ksta.de). Vor arg ausgedünnten Rängen passte sich das Spiel der Kulisse an und plätscherte mangels Tempo auf beiden Seiten so vor sich hin. Reus brachte den BVB zwar in der ersten Halbzeit in Führung, da Danso nach einer Ecke aber in der zweiten Hälfte ausgleichen konnte, reite sich auch diese Partie in die wenig aufregenden Unentschieden dieses Spieltags ein. Eins war dieses Spiel aber zweifellos nicht: Werbung für weitere Montagsspiele.
Semi-sehenswerte Siege
Nachdem die ermüdenden Unentschiedenen abgearbeitet sind, geht es nun endlich weiter mit Siegen. Dummerweise waren auch die am 24. Spieltag nur äußerst bedingt erheiternd, aber was soll’s, da müssen wir jetzt durch. Ungefähr mit der gleichen Euphorie reagierten auch die Stuttgarter Fans auf die Amtsübernahme auf der Trainerbank durch Tayfun Korkut. Innerlich verabschiedete man sich schon wieder aus der Bundesliga und blickte voller Sehnsucht zurück auf die gute alte Zeit, als der VfB irgendwie sogar deutscher Meister wurde. Doch vier Spiele später sieht die Welt schon anders aus. Da nun im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt der dritte schwäbisch-sparsame 1:0 Sieg in Serie eingefahren werden konnte, sieht man sich in Stuttgart plötzlich auf einem guten Weg in Richtung Klassenerhalt. Gerüchten zufolge soll Korkut nun auch den Bau des Stuttgarter Bahnhofs endlich voran treiben. Aber natürlich erst in der Sommerpause. Oder wenn er nicht mehr Trainer beim VfB ist. Was auch immer zuerst eintreffen sollte.
Während im Schwabenland also der klassische Trainer-Wechsel-Effekt wirkt, hat man dieses Werkzeug in Hamburg in den letzten Jahren so dermaßen oft genutzt, dass es völlig ausgelutscht ist und quasi wirkungslos verpufft. Neu-Coach Bernd Hollerbach wollte nun in seinem fünften Spiel auf der Hamburger Bank ausgerechnet im Nord-Derby bei Werder Bremen den Bock umstoßen und nach zehn Ligaspielen ohne Sieg endlich wieder dreifach punkten. Die mitgereisten „Fans“ hatten sogar extra eine pompöse wie unpassend und gefährliche Pyro-Feuerwerks-Show vorbereitet, was aber abgesehen von Spielunterbrechungen durch das Schiedsrichtergespann absolut nichts brachte. Nur eins gelang dem HSV: die Bremer auf sein quasi nicht vorhandenes Niveau herunterzuziehen und das Spiel so zum absoluten Abstiegskrampf verkommen zu lassen. Auch wenn die Rothosen offensiv über 90 Minuten quasi nicht existent waren, sah es lange Zeit nach einem torlosen Remis aus. Doch dann siegte der pure Wille der Bremer und vor allem von Isah Belfodil und Aron Johansson – zwei Jokern.
Johansson tunnelte kurz vor Schluss Mathenia, der Ball rollte Richtung Torlinie und Belfodil grätschte HSV Verteidiger van Drongelen samt Ball ins Tor. Mit diesem späten 1:0 Heimsieg schnappte sich Werder vorerst die Krone im Norden und trat den eh schon am Boden liegenden Bundesliga-Dino nochmal eine Etage tiefer. Sollte es diese Saison doch tatsächlich nicht für ein Hamburger Wunder reichen?
So dramatisch wie in Hamburg war die Lage vor diesem Spieltag in Mönchengladbach bei weitem nicht, aber auch die Fohlen hatten ihre Probleme. Genauer gesagt litten sie bereits seit vier Spielen an akuter Tor-Verstopfung – es wollte vorne einfach nicht mehr flutschen. Und auch beim Gastspiel in Hannover sah es zunächst danach aus, als würde die Qual weitergehen, denn Stindl und Co. ließen erneut beste Chancen fahrlässig liegen. Als dann in der zweiten Halbzeit 96 auch noch richtig anfing mitzuspielen, griff bei der Borussia langsam aber sicher wieder etwas Panik um sich. Doch plötzlich hatte ausgerechnet der vergessene Weltmeister und bekennende Klumpfuß Christoph Kramer eine Erleuchtung. Er nahm einen Stindl-Pass suboptimal mit rechts an, sodass er ihm versprang, aber so legte er sich denn Ball selbst hoch vor und zog äußerst sehenswert mit links aus gut 16 Metern zur Führung und letztlich auch zum 1:0 Auswärtssieg ab. Chapeau Herr Kramer für dieses rare Highlight des 24. Spieltags. Und ganz nebenbei: die Ultras in Hannover entschieden sich kurzerhand mal wieder gegen Stimmung und wurden dafür von den restlichen Fans ausgepfiffen. Kann man so machen, ist dann aber halt dumm. Da kann dann selbst Borussia Mönchengladbach gewinnen.
Wie kriegt man denn nun die Kurve von merkwürdiger Stimmung in Hannover zum Heimspiel von Bayer Leverkusen gegen den FC Schalke 04? Nun, das ist wirklich zu einfach, daher schauen wir direkt auf ein Top-Spiel, was nur auf dem Papier eins war. Denn auf dem Platz verteidigte Schalke gewohnt konsequent während Bayer die eigenen PS überhaupt nicht auf den Rasen bekam. S04 spielte Park-Kralle für die Leverkusener Flitzer und so reichten im Grunde ein Geniestreich von Guido Burgstaller und ein Platzverweis für Dominik Kohr zur Entscheidung. Kevin Volland verlor den Ball gleich doppelt an den giftigen Caligiuri, der haute das Ding einfach mal mit guten Wünschen hoch nach vorne und dort düpierte Burgstaller zuerst Retsos bevor er Leno eiskalt ausguckte und zur Führung einschob.
In einem danach endgültig äußerst blassen Spiel blieb die Werkself meilenweit hinter den eigenen Erwartungen zurück und kassierte in der Schlussphase nach Foul von Retsos an Embolo noch den endgültigen KO vom Punkt durch Bentaleb. Nicht schön aber erfolgreich bleibt somit das Erfolgsrezept der Knappen auf dem Weg in Richtung Championsleague.
Spiel des Spieltags
In der gleichen Richtung, wenn auch mit etwas anderer Herangehensweise, ist auch RB Leipzig unterwegs. In der Spitzengruppe der „normalen“ Teams, also allem was hinter dem FC Bayern so kommt, wollten die Bullen im Battle of the Beasts gegen die Geißböcke aus Köln zuhause fest eingeplante drei Punkte einsacken. Im dritten Spiel binnen einer Woche sollte nach Niederlagen in Frankfurt und gegen Neapel außerdem zumindest am Ende ein Erfolgserlebnis stehen. Und zunächst sah wirklich alles danach aus. Von Beginn an ließen die Gastgeber Ball und Gegner nach Belieben laufen, gingen früh in Führung und ließen weitere Chancen reihenweise liegen. Absolut nichts sah nach Gegenwehr des Tabellenletzten aus der Domstadt aus. Allerdings schien RB in der Halbzeit der Energy-Drink Nachschub unterbrochen worden zu sein, denn nach dem Seitenwechsel ergab sich ein völlig anderes Bild. Die Gäste aus der Domstadt, wohl gemerkt erst mit einen Auswärtssieg in der laufenden Saison, drehten auf, agierten deutlich bissiger und zielstrebiger und glichen plötzlich technisch anspruchsvoll durch den Mann im Körper eines Buben, Vincent Koziello, aus.
Es entwickelte sich plötzlich ein richtig ansehnliches Spiel, das hin und her ging und letztlich das bessere Ende für die Kölner fand. Risse durfte über rechts nahezu ungestört bis tief in den Leipziger Strafraum marschieren, bediente dann den allein gelassenen Bittencourt und dieser drehte das Spiel zu Gunsten seines FC. Da den müde wirkenden Rasenballsportlern keine Antwort mehr gelingen wollte, feierten die Geißböcke am Ende einen überraschenden Auswärtscoup und versauten den Gastgebern die gebrauchte Woche ergebnistechnisch endgültig. Gleichzeitig schlossen sie so punktemäßig zum HSV auf und auch wenn der Abstand zum rettenden Ufer noch beachtlich bleibt, gilt es festzuhalten, dass im Keller definitiv noch Licht brennt.