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Bundesliga 2017/2018, 20. Spieltag: Sandro’s Wagner und ein Problem-Wolf in Stuttgart

Kaum spricht man von Ansgar Brinkmann im Dschungelcamp und der Unfähigkeit der Bayern-Verfolger in der Bundesliga, schon zieht der Ex-Profi bockig wie ein Kleinkind aus der RTL-Resterampe aus und erstmals seit dem 10.Spieltag kann ein Tabellenzweiter ein Ligaspiel erfolgreich gestalten. Ist das Zufall oder sind da höhere Mächte am Werk? Vor allem der Auszug Brinkmanns aus dem australischen Dschungel kam überraschend. Womöglich hatte der weißte Brasilianer intuitiv erspürt, dass an diesem Spieltag in der Bundesliga erneut eine Trainerstelle vakant wurde und wollte sich diese umgehend sichern. Falls das sein Plan war, muss ich ihn aber leider enttäuschen: Der Platz ist schon wieder belegt – mit einem alten Bekannten. Aber dazu später mehr.

Stillstand im Tabellenkeller

Den ersten Trainerwechsel der Rückrunde hat man, fast schon standesgemäß natürlich direkt nach dem Start, in Hamburg durchgeführt. Der bemitleidenswerte Gisdol wurde vom Hof gejagt und Bernd Hollerbach durfte auf dem noch warmen Sitz an der Seitenlinie Platz nehmen. Getreu dem Motto neue Besen kehren gut wirbelte er auch direkt beim Gastspiel in Leipzig die Startelf durcheinander, stellte Mathenia wieder ins Tor und was soll man sagen? Trotzdem lief alles wie immer, die Spieler patzten und Leipzig freute sich über die frühe Führung. Aber diesmal gab es eine Reaktion und die Hamburger kamen durch Kostic zurück – freundlich assistiert vom Schiedsrichtergespann inklusive Videoschiedsrichter, die unisono eine doch recht eindeutige Abseitsstellung übersahen. Mitleidsbonus also für den insgesamt doch etwas verbesserten HSV, der am Ende durch das 1:1 einen Punkt wert war.

Man kann in diesem Fall wirklich von einem Wert sprechen, denn die anderen Konkurrenten der Hamburger im Tabellenkeller machten es schlichtweg nicht besser. Die zuletzt so punktgeilen Kölner kamen in einem mäßigen Spiel gegen den FC Augsburg ebenfalls nicht über ein 1:1 hinaus. Jojic hatte die Gastgeber dabei mit einem für Kölner Verhältnisse ungeahnt schönen Freistoß in Führung gebracht, ehe Caiuby per Aufzug in die zweite Etage fuhr und den Ausgleich erköpfte. Neben zwei erhofften Punkten verflog auch die Magie des Simon Terodde, der das erste Mal im neuen Dress nicht traf und stattdessen sogar mal einen Schuss neben das Tor setzte – aus der Zauber?

Aber auch das dritte Kellerkind kam nicht über ein Remis hinaus. Werder Bremen spielte gut, war den Gästen aus Berlin überlegen, erzielte sogar die frühe Führung, wurde aber durchaus zurecht vom Video-Schiedsrichter zurückgepfiffen: Delaney hatte im Mittelfeld Lustenberger seinen Ellbogen zum Probieren angeboten und dieser schien dem Schweizer nicht sonderlich gut zu bekommen.

Im Duell Kopf gegen Ellbogen geht der Sieg ganz klar an letzteren (Quelle: Bild.de)

Aber auch danach wollte der Ball einfach trotz guter Chancen, Pfostentreffer und Klärungsaktionen auf der Linie einfach in keins der beiden Tore, sodass es am Ende bei einem vor allem für die Bremer enttäuschenden 0:0 blieb und somit im Keller der Liga kein Team auch nur irgendwie von der Stelle kam.

Distanzschützen gegen Fliegenfänger

Besser gelang das dem VfL Wolfsburg beim Niedersachen-Duell in Hannover – und das trotz einem Geläuf, dass mehr an Beach-Soccer als an gepflegten Fußball erinnerte. Auf dem 96er Acker reichte den Autostädtern ein Sonntagsschuss aus 25 Metern von Malli aus, um die drei Punkte mit zurück nach Hause zu nehmen. Keeper Esser sah dabei alles andere als glücklich aus, aber wirklich interessiert hat es nur die wenigsten: die HDI Arena war ähnlich spärlich mit Zuschauern besetzt wie das Spielfeld mit grünen Halmen. Ein Spiel, das keinen Sieger verdient hatte, aber trotzdem einen bekam.

Darauf mussten die Zuschauer in Dortmund verzichten, denn obwohl mit dem SC Freiburg ein absoluter Lieblingsgegner der Borussen den Weg ins Ruhrgebiet fand, reichte es am Ende nur zu einem äußerst schmeichelhaften 2:2. Dabei ging es so gut los für den BVB, als Kagawa nach einer Ping-Pong-Flipper-Stafette im Freiburger Strafraum die frühe Führung besorgte. Doch auf der anderen Seite wollte Nils Petersen mal wieder zeigen, was er doch für ein ausgefuchster Frechdachs ist. Erst erzielte er aus zwei Metern den Ausgleich bevor er locker flockig im Mittelfeld einen Sahin Pass, der schon letzten Sonntag in der Werbepost stand, abfing und einfach mal aus 41 Metern den Ball wunderbar geschnitten wie die Fleischwurst mit Gesicht beim Metzger des Vertrauens im Dortmunder Gehäuse unterbrachte. Naturgemäß sah Torhüter Bürki dabei alles andere als elegant aus.

Roman Bürki slapstickt hinter dem Ball her (Quelle: Kicker.de)

Dass es am Ende noch für einen Punkt reichte, verdanken die Schwarz-Gelben Verteidiger Jeremy Toljan, der in der Nachspielzeit noch den Ausgleich schoss. Übrigens fand Skandalnudel Aubameyang gegen den SCF den Weg zurück in die Startelf. Einzig gesehen hat ihn während der 90 Minuten niemand. Die Breisgau-Boys bleiben somit seit nunmehr Mitte November ungeschlagen – Chapeau.

Dreier für’s Verfolgertrio

Den Hut ziehen muss man in dieser Serie definitiv auch vor Leon Bailey. Woche um Woche bringt der jamaikanische Beachboy im tristen Leverkusen Leistungen auf den Platz, die man dort seit den glorreichen brasilianischen Zeiten von Ze Roberto und Emerson nicht mehr gesehen hat. So auch nun gegen Mainz 05, wo Bailey ein verkrampftes Spiel zu Gunsten seiner Werkself kippte, indem er das Spielgerät einfach in bester Bauarbeiter Manier aus 25 Metern mit dem linken Vollspann in den Winkel schweißte (Quelle Titelbild: Kicker.de). Da auch Wendell vom Punkt ähnlich cool blieb, nachdem Ex-Bayer Donati seiner Zuneigung durch eine lange Strafraum-Umarmung gegen Alario Ausdruck verlieh, stand es am Ende 2:0 für Leverkusen. Dieser Sieg ist gleichbedeutend mit dem ersten Dreier eines Tabellenzweiten seit dem 10. Spieltag. Der Verfolgerfluch scheint sich in Luft aufzulösen.

Denn mit Eintracht Frankfurt gewann direkt auch noch ein zweites Team aus der Verfolgergruppe, über die ich mich letzte Woche noch so beschwert habe. Dabei hatte die reisefreudige Eintracht nicht einmal ein Auswärtsspiel, sondern schlug Borussia Mönchengladbach in der heimischen Commerzbank Arena mit 2:0. Damit zeigte sich dann auch, dass eine chronische Auswärtsallergie a la BMG stärker wirkt als die Heimschwäche der Frankfurter. Dabei muss man allerdings betonen, dass der Sieg doch etwas glücklich zustande kam: Die Fohlen testeten zweimal die Robustheit des Frankfurter Gehäuses, einmal sogar aus der standardisierten Test-Entfernung von 11 Metern. Außerdem hatte Rebic Glück, dass er nur Gelb sah, als er nachdrücklich versuchte Patrick Herrmann aus dem Stadion zu grätschen. Der Eintracht wird’s am Ende egal sein, denn Sieg ist Sieg und das ist, was zählt.

Dieses Motto hat man sich unter Domenico Tedesco auch beim FC Schalke zu Herzen genommen, denn obwohl die Königsblauen auch beim Gastspiel in Stuttgart keinen Hurra-Fußball zelebrierten, standen nach Abpfiff ein 2:0 Auswärtssieg und somit weitere drei Punkte auf der Habenseite. Grund dafür: die altbekannte Standard-Stärke, gepaart mit Stuttgarter Offensiv-Flaute und einem jungen Kung-Fu-Debütanten aus Dortmund. Denn der frisch ins Schwabenland gewechselte Jakob Brun Larsen hatte scheinbar seine alte Abneigung gegen S04 noch nicht abgelegt und kanalisierte sie kurzerhand in einem völlig unsinnigen wie unbeholfenen Kick gegen Leon Goretzka.

Ein Beispiel für semi-geschicktes Verteidigen im Strafraum (Quelle: Kicker.de)

Mit dem 2:0 vom Punkt war der Deckel dann schon zur Halbzeit quasi auf dem Spiel. Dass das 1:0 zuvor durch einen Kopfball von Naldo fiel, muss eigentlich kaum mehr erwähnt werden. Der brasilianische Methusalem erlebt schließlich derzeit seinen 17. Frühling und hat einen exklusiven Luftraum nur für sich. Damit machte Schalke den Verfolger-Dreier-Dreierpack ebenfalls mit 2:0 perfekt und erhöhte gleichzeitig die Arbeitslosenquote in Stuttgart, denn Coach Wolf musste nach dem Spiel seinen Hut nehmen. Den bekam dafür dann mit Tayfun Korkut ein alter Bekannter aufgesetzt, womit beim Blick auf dessen Vita wohl klar sein dürfte, wohin man sich beim VfB orientieren möchte: Back to Liga 2.

Spiel und Spieler des Spieltags

Nachdem drei „direkte“ Verfolger siegreich waren, könnte man ja meinen, dass man in München so etwas wie Druck verspürt, auch wenn dieser angesichts des enormen Vorsprungs wohl bestenfalls marginal gewesen sein kann. Trotzdem sah es beim Heimspiel gegen Hoffenheim zunächst doch tatsächlich danach aus, als wäre der Primus verletzbar. Nach 12 Minuten stand es schon 2:0 für die Gäste aus dem Kraichgau – ein großer Fehler, wie sich herausstellen sollte. Denn durch diese zwei Tore, fast schon eine Bloßstellung, wurden die Bayern gereizt und ließen die Hoffenheimer das dann auch so richtig spüren. Zur Pause stand es bereits 2:2 und die gesamte Defensive der TSG wirkte mit der Situation hoffnungslos überfordert wie eine allein erziehende Teenie-Mutter. Am Ende hatte es dann fünf Mal im Hoffenheimer Tor geklingelt und der FCB hatte der Liga wieder einmal bewiesen, dass man sie weder reizen sollte noch schlagen kann. In was für einer anderen Liga der Rekordmeister derzeit agiert zeigte übrigens der Schlusspunkt zum 5:2. Den erzielte nämlich, wie sollte es anders sein, Edeljoker Sandro Wagner – und zwar mit seinem Gemächt. Diese Lümmelei, gepaart mit seinem Gesichtausdruck der gleichermaßen Absicht wie Coolness suggeriert, macht ihn automatisch auch zum Spieler des Spieltags.

Der Swagner lümmelt den Ball über die Linie – im wahrsten Sinne des Wortes (Quelle: Kicker.de)

Wer so viel Männlichkeit und Potenz von der Bank ins Spiel bringen kann, der kann doch nur deutscher Meister werden. Mal ganz abgesehen davon, dass das bayerische Meisterschafts-Abo noch deutlich länger zu laufen scheint als die Jamba-Sparabos mit dem Crazy Frog zu Anfang des Jahrtausends.

Viel spannender als die Meisterschaft bleibt aber ja sowieso alles andere in der Liga. Wie hoch wird Tayfun Korkut sein erstes Spiel mit dem VfB Stuttgart verlieren? Mit welchem Körperteil soll Sandro Wagner jetzt noch cooler Tore erzielen? Und wird Bernd Hollerbach sich beim nächsten HSV Spiel selbst einwechseln, um ein Zeichen im Abstiegskampf zu setzen?  Womöglich diese, ganz sicher aber viele andere Fragen werden wir nächste Woche beantworten können, wenn die Bundesliga in die 21. Runde geht. Also lauft nicht zu weit weg.

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