Jetzt aber mal ernsthaft: was soll dieses Wetter? Letztes Wochenende war noch alles eitel Sonnenschein. Frühlingshafte Temperaturen, Sonnenschein, guter Bundesliga-Fußball – die Welt schien in Ordnung zu sein. Nur eine Woche später dann die Rolle rückwärts: Minusgrade, Schnee, Tristesse, der Winter kam plötzlich zurück wie verdautes Essen und wer findet das gut? Niemand. Aber immerhin haben die Mannschaften des deutschen Oberhauses am 27. Spieltag mit teilweise spektakulären Spielen und wieder reichlich Toren für warme Gedanken gesorgt. Außer natürlich in Hamburg, da stirbt wohl oder übel so langsam auch das letzten Fan-Herz an Erfrierung.
Trostlose Kellerkinder
Denn auch nach dem gefühlten 98. Trainerwechsel an der Elbe in den letzten 10 Jahren hielt die Aufbruchsstimmung nur kurz an. Dieses Mal waren es sage und schreibe 45. Minuten. Im Heimspiel gegen Hertha BSC zelebrierte der HSV ungekannten Kombinationsfußball, ließ den Ball gut laufen und kombinierte sich doch tatsächlich zu einer verdienten 1:0 Pausenführung. Dummerweise fing man dann in der Kabine wohl schon wieder mit den Planungen für die Europaleague an, denn nach dem Seitenwechsel war der Faden komplett verloren. Lazaro glich nach einer Plattenhardt Flanke aus, bei welcher der Nationalspieler in etwa so viel Zeit hatte, dass er nebenbei auch noch seine Steuererklärung ungestört hätte abgeben können. Das Hamburger Kartenhaus geriet durch diesen Treffer schon gefährlich ins Wanken und fiel dann nur Minuten später, als Kalou unmittelbar nach seiner Einwechslung das Spiel endgültig drehte.
Da den Rothosen in der Folge nichts mehr gelingen wollten, blieb es am Ende beim 2:1 Auswärtssieg für die Hertha. Der HSV hingegen taumelt weiter Richtung Abgrund und zerfleischt sich via Medien weiter selbst. Papadopoulos kritisierte nach dem Abpfiff erstmal Taktik und Trainer, Walace hatte gar nicht erst Bock auf den Stadionbesuch – klingt irgendwie fast schon wie Kreisliga C am Sonntagmittag.
Noch nicht ganz so weit untern angekommen, aber zumindest weiterhin auf einem guten Weg in die 2. Liga befindet sich Mainz 05. Im Rhein-Main-Derby gegen Eintracht Frankfurt setzte es die zweite Niederlage in Serie, gleichbedeutend mit dem vierten Spiel in Folge ohne Sieg und dem stillen verharren am Rande zum Abstieg. Von Beginn an dominierte die Eintracht das Geschehen und schon zur Pause war der Drops gelutscht. Den Auftakt machte dabei Kevin-Prince Boateng, der den Ball bereits nach sechs Minuten Florian Müller durch die flutschigen Finger ins Tor beförderte. Jovic und Rebic erhöhten fast schon nebenbei auf 3:0 – und damit waren die erschreckend harmlosen Mainzer noch gut bedient. Ein solch blutleerer Auftritt im Abstiegskampf verheißt normalerweise nichts Gutes. Aber gilt das auch in dieser Saison, wo im Keller irgendwie niemand gewinnen will?
Gute Ruhrpott-Pferde springen knapp
Denn auch der VfL Wolfsburg scheint unter Bruno Labbadia kein ernsthaftes Interesse an Siegen zu haben. Im Heimspiel gegen Schalke bemühte sich zunächst keins der beiden Teams um irgendwas. Erst nach der Pause wurde so etwas wie Fußball geboten und der VfL erspielte sich sogar die ein oder andere Chance. Als es in der Schlussphase dann aber ernst wurde, zogen die Wölfe den Schwanz ein und schenkten Königsblau den Sieg. Erst scheiterte Verhaegh aus 11 Metern an Fährmann, dann wurde Didavi im eigenen Strafraum von Embolo düpiert wie ein Schuljunge, nur damit Robin Knoche die anschließende Hereingabe vier Minuten vor dem Ende zum entscheidenden 1:0 ins eigene Netz befördern konnte. Was für Wolfsburg das achte Spiel in Folge ohne Sieg bedeutete, war für S04 gleichzeitig der fünfte Dreier in Serie. Vier Spiele davon gingen übrigens mit einem Tor Unterschied an Gelsenkirchen – Tedescos Jungs geben ihrem Spitznamen als „Knappen“ also eine völlig neue Interpretation.
Eine völlig neue Interpretation von Fußball erlebt man in den letzten Wochen auch beim Nachbarn in Dortmund. Seit Peter Stöger das Traineramt übernahm, ist es mit dem bekannten Dortmunder Offensiv-Spektakel vorbei. Stattdessen wird stögeresk stabil agiert. Und so peinlich das auch in der Europaleague anmutete, so erfolgreich klappt das ganze in der Bundesliga. Denn auch gegen Hannover 96 sprang das BVB-Pferd nur so hoch, wie es musste und so reichte am Ende ein knappes 1:0 zur Fortsetzung von Stögers Unbesiegbarkeit in der Liga. Obwohl beide Mannschaften durchaus offensiv agierten und sich Möglichkeiten erspielten, war es letztlich die Hacke von Mitshy Batshuayi, die den Sieg brachte. Bereits nach 24 Minuten war es der belgische Batsman, der eine viel zu flache Schürrle Ecke zauberhaft mit der Hacke in die Maschen bugsierte.
Was der Mann mit der Hacke kann, können andere nicht einmal mit den Händen. Also Hut ab vor dem Dortmunder Leihstürmer und vor allem auch vor dem erfolgreichen wenn auch biederen Bundesliga-BVB.
Der heißeste Sch**ß der Liga
Ähnlich bieder, aber dafür auch ähnlich erfolgreich agiert der VfB Stuttgart seit Tayfun Korkut den Chefsessel im Schwabenland übernommen hat. Unter seiner Leitung standen bis zum Wochenende zwei Remis und vier Siege auf der Habenseite – eine mehr als beachtliche Leistung für einen Trainer, dem man zuletzt nicht einmal ein erfolgreiches Training bei Wacker Burghausen zugetraut hatte. Beim Gastspiel in Freiburg folgte nun Sieg Nummer fünf, auch wenn der VfB spielerisch einmal mehr schwäbisch geizig unterwegs war. Auch ein Lupfer zum Zungeschnalzen von Nils Petersen zum zwischenzeitlichen Ausgleich sollte nicht reichen, um dem doppelten Gomez etwas entgegenzusetzen. In klassischer Mittelstürmer-Manier stolperte der Nationalstürmer den Ball gleich doppelt ins Tor und sicherte so den dritten Auswärtssieg in Folge. Der VfB Stuttgart stürmt also weiter unaufhaltsam durch die Liga wie ein Tayfun – und darf langsam sogar schon in Richtung Europa schielen.
Ganz so weit ist man in Bremen noch nicht, aber dafür spielt Werder derzeit einen der ansehnlichsten und besten Bälle der ganzen Liga. Das bekam nun auch der FC Augsburg zu spüren, der vor lauter Bremer Offensivwirbel gar nicht so recht wusste, wie ihm geschah. Vor allem Max Kruse und Ishak Belfodil spielten die Augsburger Hintermannschaft reihenweise schwindelig und erlegten die Fuggerstädter quasi im Alleingang.
Der zweifache Belfodil sorgte für eine komfortable Pausenführung, die in einer rasanten zweiten Hälfte dann von Keeper Pavlenka mehrfach festgehalten wurde. Khedira besorgte zwar der Anschluss, aber Maserati Max höchstpersönlich sicherte den Sieg in der Schlussphase nach Vorlage von Belfodil und erzielte den 3:1 Endstand. Spielt Werder so weiter, werden die Mannen von der Weser mit den Abstieg definitiv nichts mehr zu tun haben – so viel ist in meinen Augen sicher.
Überraschungssonntag
Allerdings darf man sich natürlich nicht zu früh freuen, denn Totgesagte leben bekanntlich oftmals länger. So ist wohl auch die plötzliche Auferstehung des 1.FC Köln im Rhein-Derby gegen Bayer Leverkusen zu erklären (Quelle Titelbild: Kicker.de). Die Geißböcke bissen sich vom Anpfiff an in die Partie, pressten ungewohnt aggressiv und raubten den sonst so spielstarken Bayer-Kickern um Leon Bailey jeglichen Spaß am Fußball. Als dann in der Anfangsphase Yuya Osako den Ball aus kurzer Distanz auch noch unter Bernd Leno hindurch zur Führung ins Tor glitschte, war die Frustgrenze bei der Werkself schon früh erreicht. Diese entlud sich dann im Ellbogen von Lucas Alario gegen den Hals von Dominic Maroh, wofür der Bayer-Stürmer mit Hilfe des Videobeweises zurecht des Feldes verwiesen wurde. Als die Leverkusener nach dem Seitenwechsel dann doch vereinzelt vor dem FC Gehäuse vorstellig wurden, war es Charles Aranguiz, der den zaghaften Offensivbemühungen seines Teams den Zahn zog. Mit einem verunglückten Kopfball in den Lauf von Simon Zoller leitete er das 2:0 höchstpersönlich ein und hauchte den eigentlich toten Kölnern so neues Leben im Abstiegskampf ein. Denn plötzlich wurde der FC erstmals seit dem 2. Spieltag die fast schon heißgeliebte rote Laterne los und träumt nun wieder – diesmal aber nicht von Europa, sondern von der Rettung. Geht da wirklich noch was?
Anderes Tabellenende, gleiche Frage, aber eine mehr als eindeutige Antwort. Denn obwohl der FC Bayern München überraschenderweise in Leipzig verlor und die direkten Verfolger gewannen, geht in Sachen Meisterschaft trotzdem absolut gar nix mehr. Aber Moment: Der FC Bayern verliert? Gegen RB Leipzig? Wie konnte das passieren? Nun, dafür gibt es einige Gründe. Zum einen trat der Rekordmeister mit einer besseren B-Elf in Sachsen an – schöne Grüße an Sebastian Rudy und Juan Bernat. Zum anderen ging augenscheinlich nach der frühen Führung durch Sandro Wagner wohl auch das letzte Fünkchen Motivation lieber in die nächstgelegene Kneipe als sich weiter im Team des FC Bayern aufzuhalten. Und so agierten die Münchener in der Folge extrem gelangweilt und überließen den wie so oft aufgedrehten Bullen das Feld. Die wieselflinken Rasenballsportler nutzten das aus, glichen zunächst durch Keita aus ehe Timo Werner in der zweiten Halbzeit der gesamten bayerischen Defensive enteilte und das Spiel zu Gunsten des Dosenclubs drehte.
Heynckes brachte in der Folge mit Ribery und Lewandowski zwar auch Teile des ersten Anzugs, insgesamt passte das Outfit an diesem Abend aber einfach nicht. So konnten sich die Leipziger doch tatsächlich über den ersten Sieg der noch jungen Vereinsgeschichte gegen den großen FC Bayern freuen. Schön, dass es auch in der Bundesliga noch besondere erste Male gibt.
Spiel des Spieltags
Kein besonderes erstes Mal, aber definitiv kein alltägliches Duell lieferten sich Borussia Mönchengladbach und die TSG Hoffenheim im Mittelfeld der Tabelle. Was beide Teams dabei auf den Rasen brachten hatte nicht mehr viel mit Fußball zu tun – denn es war schlichtweg ein Spektakel. Benjamin Hübner eröffnete dabei das Tennis-Match bereits nach 13 Minuten per Kopf und läutete so weitere fast 80 Minuten unentwegtes hin und her ein. Hoffenheim ging insgesamt drei Mal in Führung und Gladbach kam drei mal zurück. Dabei schaffte es selbst Lars Stindl seine Serie von 14 torlosen Spielen mit dem zwischenzeitlichen 2:2 zu beenden – eine halbe Ewigkeit für einen Stürmer.
Das letzte Wort hatte allerdings Matthias Ginter. Der Weltmeister von 2014 staubte in der 90. Minute zum 3:3 Endstand ab und krönte so ein beidseitiges Schützenfest mit einem gerechten Unentschieden. Allerdings ging es auch in der Nachspielzeit noch hoch her, da beide Teams auf Sieg spielten. So muss Fußball sein und so darf es gerne weitergehen.
Leider müssen wir jetzt stark sein, denn jetzt wo die Liga gerade aus dem Winterschlaf erwacht ist und endlich mal wieder richtig was los ist auf den Plätzen, wird eine Länderspielpause mit zwei Kirmesspielen gegen Spanien und Brasilien eingestreut. Als hätte man einen leckeren Eisbecher mit Sahne, Kirschen und allem drum und dran vor der Nase und würde der Kellner würde dann noch Zucker drüber streuen, weil er der Meinung ist, das Mahl an sich wäre noch nicht süß genug. Aber was will man machen, runter damit und hoffen, dass Ostern wieder dicke Bundesliga-Eier im Nest liegen.