Endlich ist es soweit: die letzten Ausläufer des Winters scheinen sich nun endgültig aus Deutschland verzogen zu haben und es wird doch tatsächlich wärmer. Am Wochenende wurde sogar in einigen Teilen des Landes der Frühling übersprungen und mit Temperaturen um 25 Grad direkt auf Sommer geschaltet. Vielleicht lag es auch daran, dass so manch träges Team der letzten Wochen an diesem Spieltag plötzlich auch mal wach wurde und doch tatsächlich an aktivem Fußballspielen interessiert war. Insgesamt kann man sogar sagen, dass es an diesem 29. Spieltag Action oben, Action in der Mitte und Action ganz unten gab. Klingt irgendwie schlüpfrig, war aber nur die Bundesliga.
Der Meister und das Mittelmaß
Beginnen wir direkt mit den notwendigen Höflichkeiten. Herzlichen Glückwunsch an der FC Bayern München zur Meisterschaft. Der sechste Titel in Serie kam so überraschend wie der tägliche Sonnenaufgang, brauchte in diesem Jahr aber immerhin 29 Spiele, um mit einem deutlichen 4:1 Auswärtssieg beim FC Augsburg unter Dach und Fach gebracht zu werden. Quasi im Vorbeigehen erledigten die Über-Bayern die Pflichtaufgabe im Bayerischen Derby zwischen zwei Partien in der Championsleague. Dabei schien vor allem Jerome Boateng zunächst in der Sonne eingedöst zu sein, als er nämlich den Ball leichtfertig an Cordova verlor und so direkt den frühen Rückstand verschuldete.
Dummerweise macht so ein Rückstand die Bayern immer wütend, und genau das bekam der FCA dann auch zu spielen. Locker flockig mit Hacke, Spitze und durch die Beine der Gegner schlugen die Münchener gleich vierfach zurück und konnten so ihr persönliches Schalen-Abo zum sechsten Mal in Folge in Empfang nehmen(Quelle Titelbild:Sport1.de). Hut ab.
Den selbigen muss man zweifellos auch vor der Arbeit von Florian Kohfeldt ziehen. Wie der Trainer seit seiner Übernahme einer desolaten Bremer Mannschaft neues Leben eingehaucht hat und sie vom Tabellenkeller bis ins sichere Niemandsland der Liga geführt hat ist wirklich aller Ehren wert. Gegen Hannover 96 sollte diese Erfolgsgeschichte nun allerdings einen kleinen Dämpfer erleiden, denn die Bremer waren schlichtweg zu schläfrig. Zur Halbzeit stand es schon 2:0 für die Gastgeber von der Leine weil sie in quasi allen Szenen einfach handlungsschneller agierten als müde Bremer. Erst nach dem Seitenwechsel nahmen die Männer von der Weser dann auch bewusst am Spiel teil, sollten aber durch Belfodil nicht mehr als den Anschluss zum 1:2 schaffen. Mit diesem Dreier sollte sich nun auch Hannover 96 nach fünf Niederlagen in Serie der letzten Abstiegsängste entledigt haben und kann den Rest der Saison nun im Club der grauen Mäuse verbringen.
Dort befinden sie sich in guter Gesellschaft von Borussia Mönchengladbach und Hertha BSC Berlin. Beide trafen im Duell der zerplatzten Europa-Träume im Borussiapark aufeinander und zeigten lange Zeit eine einseitige Partie auf mittelmäßigem Niveau. Die Hertha machte das Spiel, ging durch Kalou in Führung und ließ in der Folge fahrlässig reihenweise Chancen liegen, während die Fohlen das Spiel quasi nur über sich ergehen ließen. Erst Mitte der zweiten Halbzeit hauchte der eingewechselte Hazard seinem Team Leben ein – dafür aber direkt mit dem Dampfhammer. Der Belgier traf gleich doppelt, einmal davon vom Punkt, und drehte ein eigentlich eindeutiges Spiel zu Gunsten seiner Mannschaft. Die Fans der Borussia fanden den 2:1 Heimsieg nach Abpfiff dann aber nicht genug und beschwerten sich lautstark bei den Spielern für die gebotene Unterhaltung. Kann man machen, muss man aber nach einem Sieg nicht unbedingt tun.
Balanceakt am Abgrund
Wie sich so ein Sieg überhaupt anfühlt hat man in den letzten Wochen in Wolfsburg schon fast vergessen, schließlich gab es unter Neu-Coach Labbadia noch überhaupt kein solches Erfolgserlebnis. Das sollte sich nun ausgerechnet beim Spiel auf der Kante zum Relegations-Abgrund mit akuter Absturzgefahr in Freiburg ändern. Die Wölfe erwischten einen Blitzstart und gingen durch einen präzisen Flachschuss von Daniel Didavi nach gerade einmal 92 Sekunden in Führung – so mancher Fan an der Würstchenbude wird das Tor nicht mitbekommen haben.
In der Folge bot sich dem geneigten Bratwurstesser dann richtig lauer Sommerfußball mit Chancen als absoluter Mangelware. Wolfsburg musste nicht, Freiburg konnte nicht und so passierte insgesamt herzlich wenig. Irgendwann hatten aber zwei Wölfe genug und machten den Sack zu: Divock Origi packte quasi auf der Grundlinie die Street-Soccer Skills aus, düpierte seinen Gegenspieler und servierte dann maßgeschneidert in die Mitte für Didavi, der auf 2:0 erhöhte. Dass der von den gesperrten Auferstandene Nils Petersen in der Nachspielzeit vom Punkt auch noch an Koen Casteels scheiterte, passte ins Bild des semi-gelungenen Nachmittags für den SC Freiburg, der nun wohl endgültig nochmal mit offenen Augen gen Abgrund schauen muss.
Von dort aus winkt mit mehr als einem Bein bereits über der Kante in der Luft der 1.FC Köln. Nach der deftigen Abreibung in Hoffenheim in der Woche zuvor empfingen die Geißböcke nun den FSV Mainz 05 zum (mal wieder) Endspiel aller Endspiele in Köln-Müngersdorf. Die Gäste begannen dabei forsch, attackierten früh und wurden fast genauso früh mit der ersten Offensivaktion des FC eiskalt erwischt. Bittencourt bediente im Strafraum Hector und der nickte zur frühen 1:0 Führung ein. Danach wählten die Kölner allerdings die falsche Taktik, denn statt weiterzuspielen, verließen sie sich auf die Mainzer Unfähigkeit Tore zu schießen. Nach vier Spielen in Folge ohne eigenen Treffer erschien die Torgefahr in etwa so limitiert wie monatliches Highspeed-Datenvolumen. Dumm nur, wenn man dann den gerade einmal knapp über die Grashalme gewachsenen Pablo de Blasis im Strafraum so sträflich alleine lässt, dass dieser kurz nach dem Seitenwechsel per Kopf (!!!) den Ausgleich erzielen kann. In der Folge entwickelte sich ein hitziger Schlagabtausch, bei dem, wie bereits im Hinspiel, Donati noch vor den anderen zum Duschen geschickt wurde. Der heißblütige Italiener hatte in der Nachspielzeit versucht Bittencourt aus dem Stadion zu grätschen, dafür nur Gelb gesehen, und tätschelte dem Gegner anschließend noch im Gesicht herum, als wolle er unbedingt vom Platz. Am Ende blieb es dann auch dank der Torhüter bei der Punkteteilung, die dem FC wohl endgültig das Genick gebrochen haben dürfte, während Mainz zumindest weiterhin den Relegationsplatz inne hat.
Wie lange das noch so bleibt, muss sich erst noch zeigen, denn durch die sommerlichen Temperaturen ist plötzlich auch der eigentliche Abonnent des Platzes 16 neu erwacht: der Hamburger SV. Gegen die zuletzt schier unbezwingbaren Schalker zeigten die Rothosen ihre womöglich beste Saisonleistung und spielten die Gäste aus dem Ruhrgebiet phasenweise an die Wand. Dabei gingen diese sogar durch einen Naldo Hand-Kopfball in Führung.Aber Kostic per Kopf nach einer Einwurf-Flanke und Holtby per Brust nach dem Seitenwechsel drehten die Partie zu Gunsten des ungeahnt dominanten HSV.
Guido Burgstaller glich dann zwar wie aus dem Nichts zum 2:2 aus, aber im Gegensatz zu sonst zeigte der Dino Tugenden aus einer längst vergessenen Zeit: Wille und Überzeugung. Denn statt auseinander zu fallen wie trockener Kuchen packte Aaron Hunt in der Schlussphase kurzerhand die Rakete aus und feuerte einen Strahl aus 25 Metern unhaltbar zum 3:2 Endstand in den Winkel. Ausgerechnet der quasi Inbegriff des Misserfolgs beendet die Schalker Siegesserie und glaubt nun selbst wieder an die Rettung. Eine Geschichte, die selbst Hollywood zu kitschig ist.
Der Kampf um Europa
Deutlich eher Stoff für Hollywood ist hingegen die Trainersuche des FC Bayern München. Eine Story voller Emotionen, Spekulationen und Spannung. Ausgerechnet zwei der Kandidaten trafen nun Aufeinander und lieferten gleichermaßen ein fußballerisches Bewerbungsschreiben an den Rekordmeister ab. Niko Kovac und Julian Nagelsmann. Das Spiel der Frankfurter Eintracht gegen die TSG Hoffenheim mutierte nämlich zu einer Art Werbespiel für beide Trainer und die Bundesliga an sich gleichermaßen. Ein offener Schlagabtausch mit Chancen auf beiden Seiten, Tempo, Spielkultur – die Zuschauer in Frankfurt wurden einfach gut unterhalten. Dass ausgerechnet die beiden heißesten Spieler beider Teams je einmal trafen passte da ins Bild: Luka Jovic traf mit seinem vierten Tor in Folge zum 1:0, nur damit Serge Gnabry quasi postwendend ausgleichen konnte. Am Ende stand somit ein leistungsgerechtes Remis, dass zeigt, dass man auch im Kampf um die internationalen Plätze keinen passiven Angsthasenfußball spielen muss.
Der Übergang zu Borussia Dortmund fällt bei diesem Stichwort nicht schwer, denn was der BVB unter Peter Stöger bisher anbot war zwar weitestgehend erfolgreich, aber in etwa so schön wie ein ausgebranntes Hochhaus bei Regen. Das sollte sich auch in der Anfangsphase im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart nicht ändern. Die Schwaben gaben den Ton an und spielten mutig während die Dortmunder augenscheinlich immer noch mit dem Tore-Zählen aus dem Spiel beim FC Bayern in der Vorwoche zu tun hatten. Dann aber rutschte Christian Pulisic versehentlich eine Flanke so dermaßen über den Fuß, dass sie sich wunderschön über Ron-Robert Zieler hinweg senkte und es sich schließlich im Winkel des langes Ecke gemütlich machte.
Der erste „Schuss“ auf das Stuttgarter Tor saß also bereits. Als Batshuay mit dem zweiten echten Torschuss dann auch noch auf 2:0 erhöhte, wurde wohl jedem endgültig klar, dass es mal wieder einer dieser Nachmittage werden würde, an dem man tun und lassen kann, was man will, das Glück ist BVB Fan. Maxi Philipp setzte mit dem 3:0 dann noch den Schlusspunkt und zeigte aller Welt eins: Der neue Trainer-Halbgott Tayfun Korkut menschelt auch hin und wieder und kann tatsächlich noch verlieren.
Wie sich das anfühlt, musste in quasi gleicher Höhe am Montagabend, zum Abschluss des Spieltags, dann auch noch Ralph Hasenhüttl erleben. Im Duell um die Champions League empfingen seine Leipziger mit Bayer Leverkusen den unmittelbaren Konkurrenten um Platz 4 und kamen böse unter die Räder. War das Spiel anfangs noch eine Wippe die in einem wahren Offensivspektakel hin und her kippte, nahm Bayer nach der RB Führung durch Sabitzer plötzlich massiv an Gewicht zu, kippte die Wippe dauerhaft zu eigenen Gunsten und zeigte den Ballsportlern die Grenzen auf. Nach Toren von Havertz, Brandt, Retsos und Volland war die Messe nach 69 Minuten gelesen und die Werkself brachte den deutlichen wie verdienten 4:1 Auswärtssieg über die Zeit. Somit hat das Team von Heiko Herrlich die Nase im Rennen zum Fleischtopf des europäischen Fußballs wieder vor den Leipzigern – zumindest vorerst.